Altgriechisch

c2a9d785ecc975fec0dc8ec287a134c0ALTE SPRACHEN (LATEIN UND GRIECHISCH) AN DER SANKT-ANSGAR-SCHULE

Die Sankt-Ansgar-Schule (SAS) gehört zu den 7 altsprachlichen Gymnasien in Hamburg. Innerhalb des katholischen Schulverbands bietet die SAS als einziges Gymnasium einen altsprachlichen Zweig ab Klasse 5 an. Die Fächer Latein und Altgriechisch werden an der SAS nicht nur wie an staatlichen Schulen in klassisch-humanistischer Tradition unterrichtet. Bildung und Erziehung sind an der katholischen Schule auch vom christlichen Menschenbild in ignatianisch-jesuitischer Tradition bestimmt.

GRIECHISCH AN DER SAS BIS ZUM GRAECUM

Als eines der letzten altsprachlichen Gymnasien in Hamburg und als einziges innerhalb des Verbandes katholischer Schulen in Hamburg bietet die Sankt-Ansgar-Schule (SAS) ihren Schülerinnen und Schülern (SuS) die Möglichkeit, als dritte Fremdsprache Altgriechisch zu wählen. Altgriechisch kann in Kl. 8 alternativ zu Französisch oder zu Naturwissenschaften gewählt werden. Damit die Schüler vor der Wahl erste Eindrücke und Erfahrungen mit dem Fach Altgriechisch sammeln können, wird an der SAS im Rahmen des normalen Schulalltags in allen 7. Klassen Probeunterricht in Altgriechisch, die sogenannte „Schnupperstunde“, abgehalten. Parallel finden Informationsabende statt, an denen sich die Eltern ein Bild von den Wahlmöglichkeiten machen können, die an der SAS in Klasse 8 den SuS der Mittelstufe angeboten werden. Das Zustandekommen der Griechischkurse an der SAS ist garantiert, auch wenn sich erfahrungsgemäß nur eine kleine Zahl der SuS für das Fach entscheidet. Aus organisatorischen, stundenplantechnischen Gründen müssen SuS der Klassen 7 B-D, die sich für Griechisch entscheiden, bei der Neueinrichtung der 8. Klassen alle derselben Klasse (z.B. 8 C) zugeteilt werden. SuS der Klasse 7 A, die Griechisch wählen, bleiben im altsprachlichen A-Zweig und damit auch in Klasse 8 in ihrem alten Klassenverband.

Sprache und Grammatik des Altgriechischen lernen die SuS in einem 3-jährigen Grundkurs von Klasse 8-10. Als Unterrichtswerk wird, wie in allen Bundesländern, das nach modernsten didaktischen Gesichtspunkten abgefasste Lernbuch KAIROS benutzt, das in 2 Bände von je 50 Kurz- oder Schnell-Lektionen eingeteilt ist. Der Sprachkurs kann jedoch bereits in KAIROS 2 etwa bei Lektion 75 beendet werden. Daraus ergibt sich eine Einteilung des 3-jährigen Sprach-und Grammatikkurses in etwa 25 KAIROS-Lektionen pro Schuljahr.

Im Gegensatz zum Fach Latein liegt in Altgriechisch der Akzent des schulischen Unterrichts von Beginn an nicht auf dem formalen Training in Grammatik und Übersetzungstechnik. Der griechische Sprachkurs kann vergleichsweise zügig absolviert werden, da zahlreiche sprachliche Phänomene und Strukturen des Griechischen den SuS schon vom Lateinischen her bekannt sind. Hilfreich für das Erlernen und Behalten griechischer Vokabeln ist der große Bestand an altgriechischen Fremdwörtern im Deutschen, deren Sinn und Bedeutung sich durch den Griechischunterricht noch tiefer erschließt. Die griechische Buchstabenschrift erweist sich für die meisten SuS erfahrungsgemäß nicht als ein Lernhindernis.

Nach der 3-jährigen Spracherwerbsphase beginnt für die SuS mit dem Eintritt in die Oberstufe der Lektüreunterricht, in dem Originalwerke der antiken griechischen Literatur übersetzt und interpretiert werden. Lektüreerfahrung mit altgriechischen Dichtungs- und Prosatexten ist eine Bedingung für den Erwerb des GRAECUM-Abschlusses. Die SuS der SAS müssen u.a. aus diesem Grund das Fach Altgriechisch, wenn sie das GRAECUM erwerben wollen, noch mindestens 1 Jahr (= 2 Semester) in der Oberstufe weiter führen. Der Griechischunterricht findet an der SAS in der Oberstufe in Form eines 2-stündigen
Wahlkurses statt. Zur Ermöglichung des GRAECUM-Abschlusses ist für die interessierten SuS das Zustandekommen dieses Griechisch-Wahlkurses unabhängig von der Teilnehmerzahl garantiert.

BESTIMMUNGEN FÜR DAS GRAECUM

Im einzelnen gelten für den Erwerb des GRAECUMS die folgenden Bestimmungen:

  • kontinuierliche Teilnahme an 4-jährigem Unterricht in Altgriechisch
  • Erfahrungen mit antik-griechischer Originallektüre
  • die Mindestnote 4 (oder besser) im Zeugnis des Jahrgangs, an dessen Ende das GRAECUM vergeben wird (also an der SAS derzeit am Ende des 2. Semesters der Oberstufe).

Wenn einzelne SuS die Voraussetzungen für das GRAECUM nicht erfüllen, z.B. weil sie ein Jahr im Ausland verbracht oder im entscheidenden Zeugnis mit einer geringeren Note als 4 abgeschnitten haben, gibt es die Möglichkeit, die verpasste Qualifikation durch Teilnahme an einer zentral von der Hamburger Schulbehörde durchgeführten Graecumsprüfung nachzuholen. Eine andere Möglichkeit ist die, Altgriechisch noch länger an der SAS zu belegen und dann beim nächstmöglichen Termin mit der Zeugnisnote 4 (oder besser) abzuschließen.

Für das GRAECUM erhalten die SuS kein eigenes Zertifikat. Der Erwerb der Qualifikation wird am Ende der Schullaufbahn auf dem Abgangszeugnis vermerkt.

Der Besitz des GRAECUMS ist grundsätzlich ein großes Plus bei der Bewerbung um Ausbildungs- und Studienplätze, auch wenn das GRAECUM nur für wenige, spezielle Studienfächer (z.B. Theologie, Archäologie, Alte Geschichte, an einigen Universitäten Philosophie) eine nötige Voraussetzung für die Zulassung zum Fachstudium darstellt.

GRIECHISCH ALS ABITURFACH

Altgriechisch kann an der SAS grundsätzlich bis zum Ende der Oberstufe (4. Sem.) mit dem 2-stündigen Wahlkurs weiter geführt werden. Wenn einzelne SuS Altgriechisch im Abitur als schriftliches oder mündliches Prüfungsfach nehmen möchten, müssen sie zu Beginn der Oberstufe, also im 1. Semester, zusammen mit dem betreffenden Fachlehrer und
der Oberstufenkoordination besprechen, wie sich dieses Anliegen organisatorisch im Rahmen der derzeit geltenden Bestimmungen realisieren läßt. Denn zusätzlich zu dem 2-stündigen Griechisch-Wahlkurs muss dann für Abiturkandidaten noch ein weiterer 2-stündiger Ergänzungskurs eingerichtet werden.

ZUSÄTZLICHE AKTIVITÄTEN IM RAHMEN DES GRIECHISCH-UNTERRICHTS

Im Griechischunterricht findet am Ende der 8. Klasse vor den Sommerferien parallel zum Fach Spanisch eine besondere Projektwoche statt, in der Themen der antiken Geschichte oder Mythologie oder auch der Archäologie im Mittelpunkt stehen.

Zum Griechischunterricht gehört in der Mittelstufe der Besuch der Antike-Abteilung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, in der Oberstufe der Besuch von Theaterinszenierungen antiker Dramen auf Hamburger Bühnen, ggf. außerdem noch der Besuch von Kunstausstellungen in Hamburg oder im erreichbaren Umland, die einen Bezug zur antiken griechischen Kunst aufweisen.

Exkursionen:
Die Teilnehmer der Griechisch-Kurse an der SAS können

  • in Klasse 10 mit auf die Exkursion der Lateinkurse nach Trier fahren (falls sie nicht ohnehin Latein als Fach haben)
  • in der Oberstufe garantiert auf die Projektreise nach Rom mitfahren.

 

Tabellarische Übersicht:

Tabelle-Griechisch

 

Zur Funktion und Bedeutung von Griechisch im Zusammenhang der geisteswissenschaftlichen Bildung

Die Werke der griechischen Literatur sind eigentlich diejenigen aus der Antike, die für die europäische Geistesgeschichte bis in die unmittelbare Gegenwart grundlegend wichtig geblieben sind und immer wieder neu aufgegriffen und kritisch-produktiv verarbeitet werden.

Die lateinische Literatur dagegen erscheint weitgehend als eine Nachahmung griechischer Vorbilder und, historisch gesehen, als erste Stufe der nachträglichen Aneignung der griechischen Kultur durch eine andere, spätere.

In der Gegenwart lassen sich viele Beispiele für die Einbeziehung des griechischen Denkens in aktuelle wissenschaftliche und künstlerische Zusammenhänge finden:

Die Welt des griechischen Mythos, fassbar noch in der archaischen Dichtung, insbesondere in den berühmten Epen „Ilias“ und „Odyssee“ von Homer, in der „Theogonie“ Hesiods, in der politischen Lyrik Solons oder in den olympischen Siegerhymnen Pindars, wird heute in kulturkritischen Diskussionen über die z.T. negativen Folgen der modernen Zivilisation beständig als alternatives Denk- und Erfahrungssystem und als mögliches Gegenmodell zu dem seit Beginn der Neuzeit vorwiegend naturwissenschaftlich-technischen Zugang zu Natur und Umwelt herangezogen.

Antike Theaterstücke, vor allem die klassischen Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides, in denen Grundprobleme und Konflikte des menschlichen Zusammenlebens auf mythischem Hintergrund ausgetragen werden, erleben jährlich rund um den Erdball teilweise spektakuläre Neuaufführungen auf bekannten und bedeutenden Bühnen.

In der Mathematik haben griechische Denker wie Thales und Pythagoras Grundlegendes geleistet, das bis heute gültig geblieben und jetzt in den Rahmen neuerer, umfassenderer Modelle integriert erscheint. Euklids „Elemente“ wurden z.B. in manchen Ländern Europas noch im 20. Jahrhundert als schulisches Lehrbuch für Geometrie benutzt.

In der Philosophie findet weltweit nach wie vor die unablässige kritische Auseinandersetzung mit den theoretischen und praktischen Entwürfen antiker Denker statt. Vorsokratiker wie Heraklit, Parmenides und die Atomisten, die legendäre Gestalt des Sokrates, Klassiker wie Platon und Aristoteles, die hellenistischen Systeme der Stoiker, Skeptiker und Epikurs und spätantike Synthesen wie der Neoplatonismus Plotins sind keineswegs Repräsentanten einer abgelegten, überholten, nur mehr historisch interessanten Form des Denkens. Sie sind auch heute noch Gesprächspartner, die von zeitgenössischen Philosophen ernst genommen und in aktuelle Frage- und Problemzusammenhänge einbezogen werden. In der unmittelbaren Gegenwart ist es vor allem in den Disziplinen der praktischen Philosophie, Ethik und Staatstheorie, zu einem unerwarteten Anschluss an antike Modellvorlagen gekommen. Populär und in jeder Buchhandlung präsent sind Texte antiker Philosophen zu Themen wie Lebenskunst, Liebe, Glück, Alter und Tod. Aber zu erwähnen ist z.B. auch, dass sich bei dem Vorhaben der UNESCO, kulturübergreifend festzulegen, welche materiellen und politischen Mindestansprüche für ein gutes, unbeschwertes Leben jeder Mensch stellen darf, die antiken Glückstheorien als einzige vorab verfügbare theoretische Grundlage gezeigt haben.

Die Tatsache, dass die griechische Kultur in historischer Perspektive als der Anfang und immer noch in vielen Bereichen als eine Art Grundlage der europäischen Zivilisation erscheint, ist allerdings nicht nur so aufzufassen, dass bestimmte Ansätze und Entwürfe des griechischen Denkens bis heute in Geltung geblieben sind und ein Fundament bilden, auf dem nach wie vor kontinuierlich weiter aufgebaut werden kann. Aus der Geschichte der Naturwissenschaften etwa sind die alten Theorien der Griechen nur noch dadurch präsent, dass sie die widerlegten Modelle darstellen, gegen die sich die überlegenen neuzeitlichen und modernen Theorien zuallererst richten. Die antiken Modelle zu kennen, kann daher nur insofern noch nützlich sein, als dass sich z.B. die moderne Evolutionstheorie in der Biologie noch besser verstehen lässt, wenn man sieht, dass ihr Begründer Darwin sie primär gegen die Ansicht des Aristoteles von einer ewigen Konstanz der natürlichen Arten entwickelt hat. Ein anderes, ähnlich geartetes Beispiel ist auf dem Gebiet von Physik und Astronomie das neuzeitliche Modell des heliozentrischen Planetensystems, das von Männern wie Kopernikus und Galilei als konkrete Antwort auf bestimmte, zu ihrer Zeit entdeckte Schwächen des antiken geozentrischen Systems erdacht wurde.

Neben solchen Formen des Rückbezugs auf antike Vorleistungen gibt es spätestens seit dem 20. Jahrhundert jedoch noch eine weitere Art der kritisch-reflektierenden Analyse des griechischen Erbes. Mythos, Wissenschaft und Philosophie der Griechen wirken in vielen Bereichen auch in der Weise weiter, dass sie in Form von überkommenen, kollektiv eingeübten Denkmustern das Bewusstsein des modernen Menschen unerkannt in seiner Tiefenstruktur determinieren.

Die kritische Reflexion auf antike Denktraditionen kann daher heutzutage verstärkt auch der analytischen Durchdringung der Welteinstellung und Bewusstseinslage des modernen Menschen dienen, sofern sich diese nämlich noch in einer undurchschauten Abhängigkeitsbeziehung von ihren antiken Entstehungsbedingungen befindet. Da die gesteigerte Einsicht in die eigene geistesgeschichtliche Tiefendimension so die Funktion einer weiteren Aufklärung, Befreiung und Flexibilisierung des modernen Denkens erfüllen kann, ist es eine folgenreiche und mit Sicherheit auch verfehlte Tendenz, wenn in Bildungs- und Kulturpolitik der Auseinandersetzung mit den Anfängen und Grundlagen des europäischen Rationalisierungsprozesses immer weniger Raum gegeben wird.

Zur Veranschaulichung kann in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass nicht wenige revolutionäre Entwicklungen, die im 19. und 20. Jahrhundert in wissenschaftlichen Fachdisziplinen wie Logik, Mathematik, Physik, Sprachanalyse und Philosophie stattgefunden haben, in der angedeuteten Weise allererst durch die kritische Revision verdeckter griechischer Grundlagenkonzeptionen möglich geworden sind.

Ein moderner Griechischunterricht, der vom Wissen um seine gesellschaftliche Verantwortung getragen ist, muss daher in äußerster Zielbestimmung die Funktion haben, interessierten Schülerinnen und Schülern als den Vertretern der nachwachsenden Generation allen gegenläufigen gesellschaftlichen und politischen Tendenzen zum Trotz die Teilhabe an intellektuellen Vorgängen dieser Art, die durchaus spannend sind, ansatzweise zu ermöglichen.

Niels Christian Dührsen  | Fachleitung Alte Sprachen