Start in der Falllinie – Ski-Klassenfahrten 2019

Österreich, Mitterbergalm, Januar 2019.

Fast wären unsere traditionellen Skireisen der achten Klassen in den unablässig rieselnden Tiefschnee gefallen: Noch am Abreisetag, als uns der lange Schlepplift, die Deutsche Bahn, von Hamburg in das Schneenotstandsgebiet Süd-Bayern zog, waren sämtliche Lifte im weltschönsten Skirevier für Anfänger außer Betrieb. Immerhin waren die nötigen Lawinen heruntergekommen, die Pisten wurden präpariert und pünktlich zur Mitte des ersten Ski-Tages lief dann auch unser Hauslift – gerettet!

Wie immer lieferte auch diese Fahrt unseren Schülerinnen und Schülern elementare Erfahrungen. Während der Bahnfahrt: Ein Dorf ist, wenn eine Handvoll Häuser von einem Meer an Feldern umgeben ist – also das Gegenteil von Hamburg. Während der Busfahrt hinauf nach Mühlbach: Tiefschnee ist, wenn der Schnee neben der Straße etwa zweimal so hoch ist wie ich selbst. Nach der Ankunft: Eine Hütte ist, wenn die Klasse sich zwei oder drei Toiletten teilen muss und acht Leute in einem Zimmer schlafen können. Am nächsten Morgen: Das Alpenglühen sieht aus wie im Film, nur noch schöner.

Wie immer gab es auch viel zu lernen: In „Pommes-Stellung“ rutscht man schneller als in „Pizza“; auf roten Pisten sollte man neben der Pflugbremse die Parallelbremse beherrschen, wenn man nicht wie manche die „Tiefschneebremse“ nutzen wollte: mit ausgestreckten Armen in die mannshohen Schneewände neben der Piste; die Konventionalität der Sprache und die Relativität der Wörter: mal ist der rechte Ski ein Tal-, mal ein Bergski, mal ein Innen‑, mal ein Außenski und der Stockeinsatz hat mit der Prügelstrafe aber auch gar nichts zu tun. Am Ende fuhren alle Parallelschwünge und die meisten kamen schwarze Pisten sicher hinunter.

Nicht wie immer, aber seit einigen Jahren, gab es auch einen Grundkurs in Existentialismus: Die Generation ‚Smartphone‘ erfuhr, dass man auch neun Tage ohne Funktelefon überleben kann. Sie erlernte vom Aussterben bedrohte Kulturtechniken: Kartenspiel, Schach, händisches Geschirrspülen, manuelle Reinigung der Gemeinschaftsräume, Zubereitung von Speisen durch Zerkleinern des Rohmaterials von Hand und anschließendes Erhitzen; die nicht bloß ikonographische Erfassung der Umwelt und Ereignisse, sondern deren Beschreibung mit Wörtern einer Sprache. Und dass das alles sogar spannend sein kann: eine Gruppe dichtete ein Sonett, Felix wollte einen „Text wie ein Unfall – man kann nicht wegsehen“.

Die Reise ist eine pädagogische Wollmilchsau dank des Einsatzes nicht bloß der begleitenden Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch der Gruppen-leitenden Oberstufenschüler, die sowohl das Skifahren verantwortungsbewusst lehrten als auch zu auskunftswilligen Veteranen der noch ausstehenden Schuljahre wurden. Dank an Caro, Fiona, Lena, Alex, Elias, Erik, Nicolas und Simon. Dank auch an die Eltern, die uns vertrauten und auf die lange Smartphone-Leine verzichteten. Dank schließlich an die berückend schöne österreichische Bergwelt und Bitte um Vergebung – wir haben versucht, unsere ökologischen Ski-Abdrücke so klein wie möglich zu halten.

  • 05.02.19 Text:Goletz-de Ruffray Bilder: Rm